Die Antwort könnte
kurz und knapp sein. Welt- und Europameister ist der spanische Jungprofi. Doch
warum bringt man ihn nicht mit Spielern wie Xavi, Iniesta, Casillas oder auch
Sergio Ramos in Verbindung? Auch diese Antwort ist schnell gefunden. Er kam
während der großen Turniere kaum bis gar nicht zum Einsatz und musste sich mit
der Reservistenrolle zufrieden geben und trotzdem bezahlten die Bayern eine,
für deutsche Verhältnisse, astronomische Ablösesumme. Ohnehin scheint Martinez
ein Talent dafür zu besitzen hohe Ablösesummen zu generieren. Vor knapp sechs
Jahren - Martinez war gerade einmal 17 Jahre jung – bezahlte Athletic Bilbao
bereits 6 Millionen € an Osasuna. Doch nicht nur das. Erstaunlich war dabei
besonders die Tatsache, dass Martinez zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges
Erstligaspiel bestritten hatte.
Was versprechen sich
die Bayern also von dem Mann, der Mario Gomez als teuersten Einkauf der
Bundesliga-Geschichte abgelöst hat? Diese Frage lässt sich mit einem einzigen Wort
beantworten: TITEL! Um nichts anderes geht es für die Bayern. Die Angst vor dem
schwarz-gelben Rivalen ist groß. Viel größer vermutlich, als man es sich selbst
eingestehen will. Zwei Jahre ohne Titel schmerzen. Zwei Jahre ohne Titel und
mit harten Niederlagen gegen den Verein vom Borsigplatz schmerzen ungleich mehr
und daher war es an der Zeit zu handeln, etwas „Verrücktes“ zu unternehmen, wie
Uli Hoeneß so schön sagte. Etwas Verrücktes hat man mit dieser Entscheidung
definitiv getan, doch dieser Transfer ist noch viel mehr als ein einfaches
Zeichen an die Konkurrenz. Allem voran macht man damit deutlich, dass der BVB
die Bayern tief getroffen hat. Man nimmt den Kontrahenten aus dem Ruhrgebiet
ernst, sehr ernst sogar. Auch das drückt dieser Wechsel sehr deutlich aus. Der
Stern des Südens fürchtet, vielleicht zum ersten Mal seit mehreren Jahrzehnten,
ernsthaft um seine Vormachtsstellung um deutschen Profi-Fußball und scheint
gewillt dazu wirklich alles in seiner Macht stehende zu tun, um sich die Pole-Position zurück zu holen. Auch die Verpflichtung von Matthias Sammer deutet deutlich
darauf hin. Vergessen sollte man auch nicht, dass für Xherdan Shaqiri und Mario
Mandzukic zusammen ebenfalls rund 25 Millionen € locker gemacht wurden. Damit
hat der FCB insgesamt knapp 65 Millionen € für Neuzugänge springen lassen. Hinzu kommen auch noch weitere
Ergängzungsspieler wie Pizarro, die den Kader in der Breite deutlich an Qualität
gewinnen lassen. Doch kommen wir zurück zu Martinez.
Welche Rolle soll
Martinez beim FC Bayern übernehmen? Ist er nur die spielstärkere Alternative zu
Gustavo, oder soll er gar Bastian Schweinsteiger den Rang als Mittelfeldchef
streitig machen? Planen die Bayern vielleicht sogar in der
Verteidigung mit ihm?
Die letzte Frage
können wir relativ einfach zur Seite wischen, denn mehr als eine absolute
Notlösung ist Martinez für die Bayern in der Innenverteidigung nicht. Mit Dante
hat man sich dort allen Anschein nach sehr gut verstärkt und mit Boateng und
Badstuber stehen zudem zwei deutschte Nationalspieler zur Verfügung und auch
Daniel van Buyten möchte seine letzten Karrierejahre sicher nicht auf der Bank
verbringen. Nein, Martinez ist ganz klar für das defensive Mittelfeld
eingeplant. Bisher waren die Aufgaben im Mittelfeld bei den Bayern sehr
deutlich verteilt. Während die komplette Last des Spielaufbaus einzig und
allein auf den Schultern von Schweinsteiger/Kroos lastete, war Gustavo der Mann
für die groben Angelegenheiten. Für ihn ging es nur darum den Gegner vom
eigenen Tor fern zu halten. Hatte er selbst mal den Ball in der
Vorwärtsbewegung, sah es meist recht düster für die Bayern aus. U.a. dies ist
auch ein Punkt, weswegen Arjen Robben eine sehr schwere Saison hinter sich hat.
Dadurch, dass das Spiel der Bayern meist über Schweinsteiger und damit auch
über die linke Seite eröffnet wurde, lief kaum ein Angriff vernünftig über
seine Seite und wenn doch, dann ging dem Ganzen ein minutenlanges Ballgeschiebe
voraus, während der Gegner sich optimal positionieren konnte. Genau diese
Spielweise soll nun Javi Martinez beheben. Vom Spanier erhofft man sich eine
Mischung aus Schweinsteiger und Gustavo gesichert zu haben. Jemand der die
Defensive organisiert, zusammenhält und gleichzeitig ein Spielgestalter ist,
der Bastian Schweinsteiger entlastet und damit das Aufbauspiel wesentlich
unberechenbarer gestalten kann. Martinez soll also nicht weniger leisten, als
das gesamte Spiel der Bayern und die einzelnen Spieler selbst zu verbessern.
Eine sehr hohe Last für einen erst 23-jährigen Nationalspieler, der zum ersten
Mal im Ausland aktiv ist. Neben dieser Erwartung drückt ihm zweifelsohne auch
noch die Last der Ablösesumme, sowie das extreme Werben und der damit verbundene
Vertrauensvorschuss ordentlich auf die Schultern und die Bayern müssen
aufpassen, dass ihr neuer Superstar nicht unter eben dieser Last zusammenbricht.
Im Optimalfall soll Martinez also das Mittelfeld zusammen mit Bastian
Schweinsteiger organisieren. Den Rang als „Chef“ soll und wird er
Schweinsteiger vermutlich trotzdem nicht ablaufen… zumindest vorerst nicht. Bis
es dazu kommen könnte, dürfte reichlich Wasser die Isar hinunterfließen.
Trotzdem wird man ihn langfristig als Wortführer eingeplant haben, denn auf
seiner Position ist dies fast unumgänglich. Wer auf dem Platz den Takt vorgeben
soll, der wird auch automatisch in eine Führungsrolle gezwungen, da er sein
Team im Griff haben muss, um es organisieren zu können. Hier könnte es also
zwangsläufig durchaus zu Problemen kommen, wenn man mit Schweinsteiger und
Martinez vor der Abwehr gleich zwei Dirigenten hat, auch wenn der eine
vielleicht etwas offensiver, als der andere agiert.
Wie weiter oben
schon angerissen, könnte sich der Martinez-Deal auch durchaus auf die
Leistungen von Arjen Robben auswirken. Durch die wesentlich flexiblere
Gestaltung des Spielaufbaus, werden in Zukunft mehr Angriffe über Bayerns
rechte Seite laufen und Robben wird daher zwangsläufig aktiver ins Spiel
eingebunden. Weiterhin könnte auch Shaqiri dem Holländer nützen, wenn er denn
als zentraler Spieler in der offensiven 3er-Reihe aufläuft und durch seine Art
zu spielen die Räume schafft, die u. a. Müller im letzten Jahr nicht reißen
konnte. Bei Robben wird man natürlich aber ebenfalls noch abwarten müssen, wie
er vor allem die mentale Belastung der vergangenen Monate weggesteckt hat. Kaum
ein Spieler im FCB-Dress ist wohl so schnell zum Publikumsliebling aufgestiegen
und ebenso schnell herabgestürzt wie der holländische Flügelflitzer. Besonders
die beiden verschossenen Elfer zum Ende der vergangenen Saison hin dürften ihm
spürbar zugesetzt haben und auch die Pfiffe der eigenen Fans, sowie die völlig
verkorkste EM waren vermutlich keine all zu große Hilfe für ihn. Robben selbst
hat nach außen hin mit diesen Nackenschlägen abgeschlossen, doch ob dem
wirklich so ist, wird man wohl erst in den kommenden Monaten feststellen
können. Vor allem dann, wenn es wieder eng wird und die Spiele auf der Kippe
stehen. Mit Shaqiri verfügt der FCB nun auf jeden Fall über eine ernsthafte
Alternative zu Robben, sodass der Holländer sich keinesfalls ausruhen kann und
zu guten Leistungen verdammt ist. Doch genau darauf wollten die Bayern
schließlich auch hinaus. Man wollte den Konkurrenzkampf neu entfachen,
Alternativen schaffen und genau das scheint ihnen gelungen zu sein, denn wenn
man einmal die beiden Außenverteidiger ausklammert, scheint jede Position im
System mindestens doppelt und qualitativ gleichwertig besetzt zu sein. Egal ob
man sich da die Abwehr mit Badstuber, Dante und Boateng anschaut, das
Mittelfeld mit Schweinsteiger, Martinez, Kroos, Gustavo, Ribery, Robben,
Schaqiri und Müller, oder gar der Sturm, wo selbst ein Pizarro hinter Gomez und
Mandzukic vermutlich sogar nur Stürmer Nummer 3
ist. Selbst im Tor haben die Bayern mit Starke eine sehr
überdurchschnittliche Nummer 2 verpflichtet.
Letztendlich muss
man festhalten, dass die Bayern in der Pre-Season ein deutliches Signal an die
Konkurrenz gesendet haben. Man hat einen Kader, der immerhin zweimal innerhalb der
letzten drei Jahre das CL-Finale erreicht hat (!), noch einmal deutlich
aufgewertet und dafür den Geldbeutel auch erheblich geöffnet. Adressat dieser
Kampfansage war allen voran der BVB, welcher sich auch ziemlich beeindruckt gab
und den Bayern, taktisch clever, sofort wieder die Favoritenrolle zuschob. Eine
Rolle, welche die Bayern kennen und lieben, doch ausfüllen konnten sie diese in
den letzten beiden Jahren nicht. Die Bayern haben sich mit ihrer aktuellen
Transferpolitik selbst die Pistole auf die Brust gesetzt. Man hat finanziell
alles rausgeholt und den vermutlich besten Bayern-Kader seit mehreren
Jahrzehnten zusammengestellt. Nun liegt es an Heynckes und seinen Jungs Taten
folgen zu lassen und eines der vermutlich sportlich wichtigsten Jahre der
Vereinsgeschichte positiv zu gestalten. Man mag es sich kaum ausmalen, was am
Tegernsee los wäre, sollte der FC Bayern erneut den Kürzeren im Kampf um die
nationalen Trophäen zieht…
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